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Erleichterte Einbürgerung für NS-Opfer & Nachkommen: Neuerung im österreichischen Staatsbürgerschaftsrecht für NS-Opfer / Verfolgte des NS-Regimes und deren direkte Nachkommen

Staatsbürgerschaftsrechtsänderungsgesetz 2018 und die erleichterte Einbürgerung für Opfer des Nationalsozialismus und ihre Nachkommen

Staatsbürgerschaftsrechtsänderungsgesetz 2018: Nachkommen ehemaliger NS-Verfolgter erhalten einen vereinfachten Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft – Anwaltliche Vertretung weiterhin empfohlen

Das Staatsbürgerschaftsrechtsänderungsgesetz 2018 tritt am 01.09.2020 in Kraft (BGBl I 2019/96). Unbestrittenermaßen wird damit eine langjährige Ungerechtigkeit beseitigt. Die Ausgestaltung der neuen Gesetzespassagen ist jedenfalls zweckmäßig und geboten. Nachkommen ehemaliger NS-Verfolgter erhalten nunmehr einen vereinfachten Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft. Empfohlen wird jedoch weiterhin Anträge zum Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft nur mit anwaltlicher Vertretung zu stellen, da durchaus noch Tücken im Detail gegeben sind.

Alte Gesetzeslage für Nachkommen ehemaliger NS-Verfolgter

Der vereinfachte Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft ist für Nachkommen ehemaliger NS-Verfolgter von höchster Bedeutung. Denn deren Vorfahren, die vor dem NS-Regime ins Ausland geflüchtet waren, erwarben dort oftmals eine fremde Staatsbürgerschaft und verloren damit die österreichische Staatsbürgerschaft. Der Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft hatte zwangsläufig zur Folge, dass Nachkommen ehemaliger NS-Verfolgter (zumindest auf den ersten Blick) nicht als österreichische Staatsbürger geboren wurden.

Gewisse Abhilfe schaffte die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs. Danach führt der Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft nur dann zum Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft, wenn dieser freiwillig erfolgt. Vor diesem Hintergrund entschied der Verwaltungsgerichtshof in einer richtungsweisenden Entscheidung, dass ein NS-Verfolgter, welcher nach Israel flüchtete, seine österreichische Staatsbürgerschaft aufgrund der Zwangslage, in der er sich zu diesem Zeitpunkt befand, nicht freiwillig aufgab und somit auch nicht die österreichische Staatsbürgerschaft nie verlor (VwGH 30.01.2001, 2000/01/0202).

Eine „Allzwecklösung“ bot diese Rechtsprechung allerdings nicht. Die Begründung der ernstlichen Zwangslage erforderte nämlich ein zeitliches Naheverhältnis zwischen dem Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft und der Flucht vor dem NS-Regime. In Fällen, bei denen der NS-Verfolgte erst mehrere Jahre nach der Flucht die fremde Staatsbürgerschaft erwarben, mussten sie neben der Flucht vor dem NS-Regime als solcher weitere Umstände nachweisen, die eine ernstliche Zwangslage begründeten. Dies war oftmals aufgrund fehlender Beweise nicht möglich.

Neue Gesetzeslage ab 01.09.2020 für Nachkommen ehemaliger NS-Verfolgter und Antragsverfahren ab September 2020

Als neuer Paragraph wird nun ab 01.09.2020 § 58c Abs 1a StbG 1985 in das Staatsbürgerschaftsgesetz eingefügt. Diesem zufolge erwirbt ein ausländischer Staatsbürger die österreichische Staatsbürgerschaft, wenn er einen schriftlichen Antrag bei der Behörde stellt und durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige Bescheinigungsmittel folgendes nachweist:

Der Antragsteller ist in direkter absteigender Linie Nachkomme einer Person, die sich vor dem 15. Mai 1955 in das Ausland begab,

  1. weil sie Verfolgungen durch Organe der NSDAP oder der Behörden des Dritten Reiches mit Grund zu befürchten hatte oder erlitten hat oder
  2. weil sie wegen ihres Eintretens für die demokratische Republik Österreich Verfolgungen ausgesetzt war oder solche zu befürchten hatte.

Vereinfacht gesagt, müssen Nachkommen ehemaliger NS-Verfolgter ab 01.09.2020 „nur“ mehr noch nachweisen, dass sie von einem Vorfahren, der vom NS-Regime verfolgt wurde bzw. zu befürchten hatte vom NS-Regime verfolgt zu werden, abstammen und dass sich dieser Vorfahre als NS-Verfolgter vor dem 15.05.1955 ins Ausland begab.

Erfahrungsgemäß können auch derartige Punkte im Antragsverfahren für insbesondere im Ausland lebende Personen eine noch immer relevante Herausforderung darstellen. So ist unter anderem auch vorgesehen, dass die Behörde den Nationalfonds der Republik Österreich als Sachverständigen heranziehen kann. Dies beispielsweise um klären zu können, ob in einem konkreten Fall die Voraussetzungen für die Einbürgerung gegeben sind.

Während der Initiativantrag zur Gesetzesnovelle den vereinfachten Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft nur bis zur dritten Generation nach dem ehemaligen NS-Verfolgten vorsah, ist eine derartige Einschränkung aus dem beschlossenen Gesetzestext nicht mehr ersichtlich. Anzunehmen ist daher, dass der Gesetzesgeber bewusst von einer solchen Einschränkung abgesehen hat.

Als weiterer Aspekt der Novelle ist erkennbar, dass es nach dem Wortlaut des Gesetzes bedeutungslos ist, ob der Vorfahre, der vom NS-Regime verfolgt wurde, eine Frau oder ein Mann war. Das Gesetz verwendet eindeutig den geschlechtsneutralen Begriff „Person“.

Diese Frage spielte deshalb eine entscheidende Rolle, weil früher (über lange Zeit hinweg) eheliche Kinder die österreichische Staatsbürgerschaft nur durch den Vater erlangen konnten und uneheliche Kinder nur durch die Mutter. Wenn also der Vater eines in Ehe geborenen Kindes kein Österreicher war, die Mutter aber schon, wurde das Kind trotzdem nicht österreichischer Staatsbürger durch Abstammung.

Im Rahmen des neu eingefügten § 58c Abs. 1a StbG 1985 spielen derartige Überlegungen zur Ehelichkeit des Kindes keine Rolle mehr. Sofern die restlichen Voraussetzungen erfüllt sind, haben sowohl eheliche als auch uneheliche Kinder einen Anspruch auf die österreichische Staatsbürgerschaft.

Für Nachkommen ehemaliger NS-Verfolgter ist die Antragstellung auf Basis der neuen Rechtslage dann interessant, wenn das Staatsbürgerschaftsrecht des Staates, dessen Staatsbürgerschaft sie innehaben, Doppelstaatsbürgerschaften erlaubt. Drittstaatsangehörige können sich dann Zutritt zum europäischen Binnenmarkt verschaffen und von der dortigen unionsrechtlichen Personenfreiheit profitieren. Sie können also in der gesamten EU arbeiten.

Die Behörden erwarten daher – berechtigterweise – eine Vielzahl derartiger Anträge und gewisse Zeitverzögerungen in deren Bearbeitung.

Empfohlen wird weiterhin, Anträge nur mit anwaltlicher Vertretung zu stellen. Obwohl die neue Gesetzeslage im Vergleich zur alten zweifellos einen vereinfachten Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft verschafft, ist derzeit noch nicht absehbar, wie sich die Entscheidungspraxis der Behörden entwickeln wird. Jedenfalls empfehlenswert ist, die entsprechenden Anträge gut aufbereitet bei der Behörde einzubringen.

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