Vertragsrücktritt im Zusammenhang mit dem Coronavirus (Covid-19, SARS-CoV-2) - Rücktritt und Auflösung von Verträgen wegen Corona, Coronavirus, Covid-19
Das Coronavirus (Covid-19) führt zu Extremsituationen im sozialen Leben und der Wirtschaft. Veranstaltungen und Konzerte sind abgesagt, Schulen, Restaurants und Geschäfte geschlossen und massive Ausgangsbeschränkungen bzw. Ausgangssperren schränken den Bürger in Österreich in seinem täglichen Leben ein.
In Bezug auf das Coronavirus (Covid-19) stellen sich daher mannigfaltige Fragen zum Rücktritt vom Vertrag, Storno oder Schadensersatz.
Zum Glück ist die Rechtsprechung und die Rechtsberatung über Jahrzehnte immer wieder mit solchen Fragen konfrontiert worden. Es gibt daher aufgrund der allgemeinen Rechtsgrundsätze, Gesetze und bereits vorliegender Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (OGH) auch in Bezug auf den Coronavirus (Covid-19) wirksame Bestimmungen für eine Vorgehensweise in Bezug auf einen Vertragsrücktritt oder einen Schadenersatzanspruch.
In Bezug auf die derzeitige Krisensituation bezüglich Covid-19 kann festgehalten werden, dass es zu Covid-19 und seine rechtliche Auswirkungen auf bestehende Verträge naturgemäß noch keine direkte Rechtsprechung gibt.
Die Frage des Schadenersatzes und des Rücktrittes von einem bestehenden Vertrag hängt ursächlich mit der Frage zusammen, ob Covid-19 als „höhere Gewalt“, "Force Majeure" oder "Vis Majeure" einzustufen ist oder nicht.
In Österreich spricht man von „höherer Gewalt“, wenn Ereignisse
- nicht beeinflussbar sind, also nicht einmal durch höchste Sorgfalt vermieden werden können,
- „von außen kommen“ und
- „unabwendbar“ sowie „unvorhersehbarer“ sind.
Das Ereignis liegt somit außerhalb des Einflussbereiches der Vertragsparteien und kann selbst durch äußerst hohe Sorgfalt nicht abgewendet werden.
Im Zusammenhang mit dem Ausbruch der Infektionskrankheit SARS hat die Rechtsprechung Fälle höherer Gewalt und die Freistellung von vertraglichen Verpflichtungen bejaht. So hat der OGH in seiner Entscheidung zu OGH 4 Ob 103/05h das Auftreten der Infektionskrankheit SARS als einen Fall von höherer Gewalt beurteilt.
Beim Coronavirus handelt es sich tatsächlich um einen SARS-Virus. Aufgrund des von der WHO ausgerufenen Pandemiestatus kann daher davon ausgegangen werden, dass ein Fall von „höherer Gewalt“ vorliegt.
Die Frage, ob das Auftreten des Coronavirus tatsächlich im jeweiligen Fall die Leistungserbringung verhindert oder verzögert hat oder ein Rücktritt vom Vertrag möglich ist, ist jedoch immer individuell zu prüfen.
Was ist im Falle eines gewünschten Rücktritts von einem Vertrag wegen Corona zu prüfen? – Vertragsrücktritt, Rücktritt, Storno bei Coronavirus (Covid-19)
Die Pandemie Covid-19 / SARS-CoV-2 beeinträchtigt die ganze Welt im massivem Umfang und betrifft die Quarantäne von ganzen Ländern, die Absage von Veranstaltungen, Konzerten bis hin zu Weltmeisterschaften, die Schließung von Schulen, Kindergärten, Restaurants, Geschäften und großen Industriebetrieben.
Jede Privatperson und jedes Unternehmen schließt jeden Tag zumeist eine Vielzahl von Rechtsgeschäften ab und stellt sich in Bezug auf diese Verträge und Rechtsgeschäfte nunmehr die Frage, inwiefern diese noch gültig und die Leistungen zu erbringen sind.
Kann man eine vertragliche Verpflichtung nicht einhalten, so gilt grundsätzlich und auch ohne „Corona“, dass diese Partei verpflichtet ist, die andere Vertragspartei davon zu informieren. Dies ergibt sich aus den allgemeinen Schutz- und Sorgfaltspflichten. Weiters besteht grundsätzlich in Österreich eine Schadensminderungspflicht. Jeder Vertragspartner muss daher alles unternehmen, um einen möglichen Schaden möglichst in Grenzen zu halten.
Wie ausgeführt ist aufgrund der bisherigen Rechtsprechung davon auszugehen, dass Covid-19 / SARS-CoV-2 als ein Fall von „höherer Gewalt“ einzustufen ist. In Bezug auf „höhere Gewalt“ bezüglich Corona gilt grundsätzlich, dass aufgrund dieses außergewöhnlichen Ereignisses niemand unmittelbar hierfür verantwortlich gemacht werden kann. Es ist daher im Einzelfall zu prüfen, ob ein Rücktritt, ein Storno oder ein Schadensersatzanspruch möglich ist.
> Prüfung des Vertrages bezüglich Rücktrittsrecht:
Will man nun einen Vertrag stornieren bzw. von einem Vertrag zurücktreten so ist grundsätzlich zuerst die vertragliche Vereinbarung zu prüfen. Im Vertrag ist zu kontrollieren, ob eine Klausel zur Frage der „höheren Gewalt“ im Vertrag enthalten ist und wenn ja, wie diese formuliert ist. Insbesondere bei Konsumenten ist weiters zu prüfen, ob diese Vertragsklausel zur „höheren Gewalt“ überhaupt rechtswirksam vereinbart wurde oder allenfalls gröblich benachteiligend ist.
Ist daher eine Vertragsbestimmung im Vertrag enthalten, so richten sich die Folgen grundsätzlich nach dieser Vereinbarung. Zu prüfen ist aber - wie angeführt - die grundsätzliche Gültigkeit und die Auslegung der Bestimmung. Nach allgemeinen Grundsätzen der Vertragsauslegung stellt sich die Frage, wie weit der Begriff der höheren Gewalt reicht und welche Rechtsfolgen die Vertragsklausel anordnet (Vertragspflichten, Rücktrittsrecht); weiters ob bestimmte Warn- und Verständigungspflichten vorgesehen sind.
> Rechtslage und Einzelfall wegen Rücktritt individuell prüfen:
Wenn im Vertrag keine aussagekräftige Formulierung/Vertragsbestimmung enthalten ist, dann ist insbesondere das anwendbare Recht zu ermitteln und auf Basis dieser Rechtsordnung zu schauen, was für einen derartigen Fall gilt. Selbst wenn eine Klausel im Vertrag zur „höheren Gewalt“ enthalten ist, ist - wie angeführt - auch zu prüfen, ob diese auch in dieser Form rechtswirksam vereinbart werden konnte (z.B. Konsumenten).
In Bezug auf Verträge ist daher insbesondere zu prüfen:
- Welcher Vertrag wurde abgeschlossen und beinhaltet dieser Vertrag oder allenfalls Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) eine Klausel zur „höheren Gewalt“?
- Wie ist diese Vertragsbestimmung zur „höheren Gewalt“ formuliert und ist diese überhaupt rechtswirksam vereinbart worden?
- Umfasst die Vertragsbestimmung zur „höheren Gewalt“ auch Fälle von Epidemien?
- Ergibt sich aus dieser Vertragsbestimmung zur „höheren Gewalt“ eine Rücktrittsmöglichkeit oder eine Stornomöglichkeit?
- Was sagt diese Vertragsbestimmung zur „höheren Gewalt“ in Bezug auf die Folgen des Rücktritts bzw. des Stornos aus? Kann man Schadensersatz geltend machen und in welchem Umfang?
Wenn es keine Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien zu Fällen der „höheren Gewalt“ wie dem Corona-Virus gibt, dann ist auf die Gesetze und Rechtsprechung des jeweiligen Staates zurückzugreifen und jeder Fall gesondert zu überprüfen.
Das Rechtssystem in Österreich unterscheidet beim Verzug des leistenden Vertragspartners (Leistungsschuldners) zwischen dem objektiven (nicht verschuldeten) und dem subjektiven (verschuldeten) Verzug. Gemeinsam ist beiden, dass der Leistungsgläubiger ein Wahlrecht hat. Er kann zwischen einer Vertragserfüllung oder einem Vertragsrücktritt unter Setzung einer angemessenen Frist auswählen. Das Merkmal vom subjektiven Schuldnerverzug ist das Vorliegen eines Verschuldens. Somit kann der Leistungsgläubiger bei subjektiven Schuldnerverzug zusätzlich zum Wahlrecht auch Schadenersatz geltend machen.
Im konkreten Einzelfall ist aber zu überprüfen, ob tatsächlich das Coronavirus die Leistungserbringung unmöglich gemacht hat. Ein Vertragspartner kann sich grundsätzlich nur dann entschuldigend auf „höhere Gewalt“ berufen, wenn Covid-19 / SARS-CoV-2 tatsächlich für die verspätete Vertragserbringung ursächlich (kausal) war. In diesem Zusammenhang ist auch zu überprüfen, ob der jeweilige Vertragspartner die negativen Auswirkungen das Coronavirus auf seine Leistungserbringung durch äußerste zumutbare Sorgfalt nicht hätte verhindern können. So hat sich die Pandemie schon mit Ende Dezember 2019 angekündigt und kann hier durchaus argumentiert werden, dass der Vertragspartner durch eine sorgsame Planung und Vorgehensweise und effiziente Maßnahmen z.B. von Jänner bis März 2020 den Leistungsverzug verhindern hätte können.
Weitere Rechtsinformationen zum Rücktritt von einem Vertrag wegen Corona – Vertragsrücktritt, Rücktritt, Storno bei Coronavirus (Covid-19)
Wegfall der Geschäftsgrundlage und Corona - Rücktritt bei Coronavirus (Covid-19)
In Bezug auf einen bestehenden Vertrag können weiters auch andere Rechtsinstitute herangezogen werden. Eines davon ist die Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage. In diesem Fall berechtigt den Vertragspartner eine Fehlvorstellung über geschäftstypische Umstände zur Anfechtung und Anpassung des Vertrages. Dies sodann, wenn für ihn die Vertragserfüllung nun keinen Sinn mehr macht.
Geschäftstypische Umstände sind jene, die jedermann mit einem Geschäft verbindet. Das Fehlen bzw. der Wegfall der Geschäftsgrundlage führt zur Anfechtbarkeit des Vertrages. Der OGH bejaht das Fehlen bzw. den Wegfall der Geschäftsgrundlage aber nur selten.
Eine weitere Voraussetzung für die Möglichkeit der Geltendmachung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist, dass die Vertragserfüllung noch möglich ist. Ist die Vertragserfüllung gänzlich unmöglich, so sind andere Rechtsinstitute heranzuziehen, nämlich die Regeln über die nachträgliche Unmöglichkeit.
Praktische Fälle des Wegfalls der Geschäftsgrundlage sind die nachfolgende Entscheidung zur Infektionskrankheit SARS oder auch andere z.B. Reiseverträge, die durch einen am Zielort ausbrechenden Krieg oder eine Naturkatastrophe sinnlos geworden sind.
Die angeführte Möglichkeit der Geltendmachung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist daher unter folgenden Voraussetzungen auch bei Corona denkbar:
- Es fehlen typische Umstände und Voraussetzungen, die jedermann mit dem Abschluss des jeweiligen Geschäftes verbindet.
- Die neu hinzutretenden Umstände sind nicht der Vertragspartei zuzurechnen, die den Wegfall der Geschäftsgrundlage geltend machen will.
- Bei Vertragsabschluss waren diese Änderungen nicht vorhersehbar.
Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur Unzumutbarkeit infolge höherer Gewalt (Ausbruch der Infektionskrankheit SARS)
Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 14.06.2005 zu 4Ob103/05h bezüglich der Infektionskrankheit SARS wie folgt festgehalten:
1. Das Berufungsgericht hat im Einklang mit höchstgerichtlicher Rechtsprechung zutreffend dargelegt, dass ein Kunde dann, wenn die Reise für ihn aus einer nach Vertragsabschluss sich ergebenden, weder von ihm noch von dem Vertragspartner zu verantwortenden oder zu beeinflussenden konkreten Gefahrenlage („höhere Gewalt") unmöglich oder unzumutbar wird, wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage ohne Zahlung einer Stornogebühr vom Vertrag zurücktreten kann und alle bereits geleisteten Zahlungen zurückzuerhalten hat (vgl RIS-Justiz RS0111962).
Die Grenze zwischen noch zumutbaren und unzumutbaren Risken ist regelmäßig eine Frage des Einzelfalls und kann nur auf Grund der konkreten Umstände gezogen werden (8 Ob 99/99p = SZ 72/95).
Der Wegfall der Geschäftsgrundlage führt zur Aufhebung des Vertrags oder zu seiner Anpassung in analoger Anwendung des § 872 ABGB im Weg der Vertragsauslegung (RIS-Justiz RS0016345 [T3], RS0017487 [T9,10]). Der Oberste Gerichtshof hat auch schon im Zusammenhang mit einem Reisevertrag ausgesprochen, dass bei Wegfall der Geschäftsgrundlage in erster Linie die Anpassung des Reisevertrags anzustreben ist, weil das dem Grundsatz der Vertragstreue besser Rechnung trägt (1 Ob 257/01b = RdW 2002, 211).
Im Anlassfall betraf die Unzumutbarkeit infolge höherer Gewalt (Ausbruch der Infektionskrankheit SARS) nicht sämtliche im Zuge des zwölftägigen Reiseverlaufs vorgesehenen Orte, sondern nur die Region Hongkong, weshalb der Reiseveranstalter eine Änderung der Reiseroute dahin anbot, am zehnten Reisetag - statt wie ursprünglich vorgesehen nach Hongkong - nach Peking und von dort nach Europa zurück zu fliegen.
Die nur im Rahmen der Auslegung des konkreten Reisevertrags zu lösende Frage, ob die angebotenen Vertragsänderungen wesentliche Punkte des Reisevertrags betrafen und die Reiseteilnehmer zur Wandlung berechtigen, hängt naturgemäß von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab und kann nicht allgemein beantwortet werden. Es handelt sich dabei demnach um keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (vgl RIS-Justiz RS0114499).
2. Die Beurteilung, ob die vereinbarte Konventionalstrafe übermäßig ist, richtet sich nach der Verhältnismäßigkeit der Strafe, den wirtschaftlichen oder sozialen Verhältnissen des Zahlungspflichtigen, insbesondere seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen, ferner nach Art und Ausmaß seines Verschuldens an der Vertragsverletzung sowie der Höhe des durch die Vertragsverletzung dem Gläubiger entstandenen Schadens (RIS-Justiz RS0029967). Die Behauptungs- und Beweislast trifft den durch die Vertragsstrafe Belasteten (RIS-Justiz RS0032195, RS0032187, RS0032126).
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