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Strafprozessrechtsänderungsgesetz II 2016: Ein Überblick über die Neuerungen in Bezug auf das Beschuldigtenrecht des Verteidigerkontaktes

Das Strafprozessrechtsänderungsgesetz II 2016 stellt seit dem 01.01.2017 geltendes Recht dar. Die darin enthaltenen Änderungen der zuvor bestehenden Rechtslage beziehen sich nicht nur auf eine Vielzahl von Bestimmungen der Strafprozessordnung 1975 (StPO 1975), sondern beispielsweise auch auf das Geschworenen- und Schöffengesetz 1990. Die nachfolgenden Ausführungen sollen lediglich einen Überblick über die Änderungen der StPO 1975 in Bezug auf das Beschuldigtenrecht des Verteidigerkontaktes vermitteln:

Verständigung, Beiziehung und Bevollmächtigung eines Verteidigers vor der Vernehmung eines festgenommenen Beschuldigten – Änderungen des § 59 StPO

§ 59 Abs 1 StPO 1975 legt fest, dass einem festgenommenen (oder zur sofortigen Vernehmung vorgeführten) Beschuldigten – der noch keinen Verteidiger hat – vor seiner Vernehmung die Verständigung, Beiziehung und Bevollmächtigung eines Verteidigers zu ermöglichen ist. Dies gilt dann nicht, wenn der Beschuldigte ausdrücklich erklärt, auf diese Beiziehung während der Dauer der Anhaltung durch die Kriminalpolizei zu verzichten. Eine solche Verzichtserklärung ist schriftlich festzuhalten. Auch nach seiner Einlieferung in die Justizanstalt ist dem Beschuldigten die unverzügliche Verständigung und Beiziehung eines Verteidigers zu ermöglichen.

1. Beschränkung des Verteidigerkontakts eines festgenommenen Beschuldigten bis zur Einlieferung in die Justizanstalt – § 59 Abs 2 StPO:

Vor der Neuerung der StPO 1975 konnte der Kontakt des festgenommenen Beschuldigten zum Verteidiger bis zur Einlieferung in die Justizanstalt auf das für die Erteilung der Vollmacht und eine allgemeine Rechtsauskunft notwendige Ausmaß beschränkt werden, wenn dies erforderlich war, "um eine Beeinträchtigung der Ermittlungen oder von Beweismitteln abzuwenden". Die neue Ausgestaltung dieser Beschränkungsmöglichkeit ist deutlich restriktiver formuliert: Nunmehr gilt, dass "aufgrund besonderer Umstände eine sofortige Vernehmung oder andere unverzügliche Ermittlungen unbedingt notwendig erscheinen" müssen, um "eine erhebliche Beeinträchtigung der Ermittlungen oder von Beweismitteln abzuwenden". Um abschätzen zu können, ob ein – vom Gesetz vorausgesetzter – "besonderer Umstand" vorliegt, wird die Schwere der Haftgründe berücksichtigungswürdig sein.

Ebenfalls neu ist die gesetzliche Bestimmung, dass im Fall, dass der Verteidigerkontakt tatsächlich beschränkt wird, die Kriminalpolizei die Gründe für diese Beschränkung dem Beschuldigten binnen 24 Stunden schriftlich darlegen muss.

2. Unzulässigkeit der Überwachung der Kommunikation zwischen festgenommenen Beschuldigten und dessen Verteidiger – § 59 Abs 3 StPO:

Eine weitere gesetzliche Änderung wurde hinsichtlich dessen vorgenommen, dass der festgenommene Beschuldigte sich nunmehr mit seinem Verteidiger verständigen kann, ohne dabei überwacht zu werden.

3. Gesetzliche Festlegung des sogenannten "Verteidigernotrufs" – § 59 Abs 4 StPO:

Sofern der festgenommene (oder zur sofortigen Vernehmung vorgeführte) Beschuldigte nicht einen frei gewählten Verteidiger beizieht, ist ihm bis zur Entscheidung über die Verhängung der Untersuchungshaft zu ermöglichen, dass er mit einem "Verteidiger in Bereitschaft" Kontakt aufnimmt. Der "Verteidiger in Bereitschaft" muss sich zur Übernahme einer solchen Verteidigung bereit erklärt haben.

Der Verteidiger in der Beschuldigtenvernehmung

1. Die StPO statuiert in § 174 Abs 1 nunmehr ausdrücklich, dass der Verteidiger bei der Vernehmung des Beschuldigten durch das Gericht zu den Voraussetzungen der Untersuchungshaft anwesend sein darf.

2. Allgemein gilt, dass der Beschuldigte ein Recht auf Beiziehung des Verteidigers in der Vernehmung hat. Unter denselben Voraussetzungen, welche hinsichtlich der – bereits dargelegten – Beschränkung des Verteidigerkontakts eines festgenommenen Beschuldigten bis zur Einlieferung in die Justizanstalt (§ 59 Abs 2 StPO) gelten, kann von der Beiziehung des Verteidigers abgesehen werden. Dies muss aufgrund besonderer Umstände "unbedingt erforderlich" erscheinen, um durch "eine sofortige Vernehmung oder andere unverzügliche Ermittlungen eine erhebliche Gefahr für die Ermittlungen oder eine Beeinträchtigung von Beweismitteln abzuwenden".

Dem Beschuldigten ist die diesbezügliche Anordnung des Staatsanwalts, bzw eine Begründung der Kriminalpolizei für die Beschränkung zu übergeben. Explizit geregelt wird auch, dass nach Möglichkeit eine Ton- oder Bildaufnahme (§ 97) von der Vernehmung anzufertigen ist.

3. Nimmt der Beschuldigte das Recht auf Beiziehung eines Verteidigers in Anspruch, so besteht die grundsätzliche Verpflichtung, die Vernehmung bis zum Eintreffen des Verteidigers aufzuschieben. Eine diesbezügliche Ausnahme besteht jedoch, wenn das Zuwarten so lange dauern würde, dass dies eine unangemessene Verlängerung der Anhaltung des Beschuldigten darstellte. Konkret wird in den Gesetzesmaterialien von einem Zuwarten von maximal 3 Stunden gesprochen.

4. Das Fragerecht des Verteidigers wurde ausgebaut. Der Verteidiger hat nunmehr das Recht, ergänzende Fragen an den Beschuldigten zu stellen, und zwar nicht erst nach Abschluss der Vernehmung, sondern "nach thematisch zusammenhängenden Abschnitten". Darüber hinaus hat der Verteidiger das Recht, nach Abschluss der Vernehmung oder nach thematisch zusammenhängenden Abschnitten Erklärungen abzugeben.

Ein Fall „notwendiger Verteidigung“ besteht nunmehr bei kontradiktorischen Vernehmungen, soweit auch in der Hauptverhandlung notwendige Verteidigung bestünde (z.B. bei Hauptverhandlungen vor dem Landesgericht als Geschworenen- oder Schöffengericht).

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