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Nachbarschaftsrecht: Aktuelle Rechtslage zu Nachbarschaftsstörungen im Rahmen des ABGB

Eine umfassende Regelung zu nachbarschaftlichen Störungen findet sich im § 364 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB), welcher in drei Paragraphen unterteilt ist:

Zu Absatz 1 des § 364 ABGB:
Grundsätzlich gilt, dass die Ausübung des Eigentumsrechtes durch den Eigentümer als unrechtmäßig zu beurteilen ist, insoweit dadurch in Rechte Dritter eingegriffen wird oder gesetzlich zur Erhaltung und Beförderung des allgemeinen Wohls vorgeschriebenen Einschränkungen übertreten werden.
Im zweiten Satz des § 364 Absatz 1 ABGB wird zudem ein allgemeines nachbarrechtliches Rücksichtnahmegebot statuiert, welches benachbarte Eigentümer unmissverständlich dazu verpflichtet gegenseitig die rechtmäßigen Interessen des anderen in der Ausübung ihrer Rechte zu berücksichtigen. Aus diesem Rücksichtnahmegebot folgt, dass die Gerichte bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ausübung des Eigentumsrechtes eine Interessensabwägung vorzunehmen haben. Dieser Regelungstatbestand wird vorwiegend bei nachbarschaftlichen Konflikten Anwendung finden, in welchen ein grobes Ungleichgewicht zwischen den Interessen der streitenden Parteien vorliegt.

Zu Absatz 2 des § 364 ABGB:
Dieser zählt beispielhaft, also nicht erschöpfend, Einwirkungen auf, welche Untersagungsansprüche des gestörten Nachbars hervorrufen, wenn sie vom Nachbargrund bzw. von der Nachbarwohnung ausgehen und sofern sie: 1. das „nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten" und 2. "die ortsübliche Benützung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigen“. Es werden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliche genannt.
Hierbei ist jedoch eine wesentliche Unterscheidung zu treffen: Gemäß § 364 Absatz 2 Satz 2 sind nämlich „unmittelbare Zuleitungen“ in jedem Fall unzulässig (z.B. der „Störer“ schüttet Wasser auf Grundstück des Nachbaren oder errichtet eine Anlage, die Wasser dorthin leitet), währenddessen die Zulässigkeit mittelbaren Eindringens unmessbarer Stoffe innerhalb der Grenzen der Ortsüblichkeit zu dulden sind. Ohne das Vorliegen einer (zumindest) mittelbaren Einwirkung auf das Grundstück kann jedenfalls kein Untersagungsanspruch begründet werden, bloß ästhetische Kriterien reichen daher nicht aus (z.B. der Bau eines Hochhauses in einem Villenviertel).

Für die Bestimmung der Ortsüblichkeit sind die faktischen Verhältnisse ausschlaggebend, welche in der zu beurteilenden örtlichen Umgebung vorherrschen. Die maßgebliche Umgebung ist nicht bloß im Lichte der unmittelbaren räumlichen Nähe, z.B. in einer Gasse, sondern im Rahmen des typischen Umfeldes einer Gegend zu sehen. So können Stadtteile in einer größeren Stadt beispielsweise als Umgebung gesehen werden. Zusätzlich zum Kriterium der Ortsüblichkeit, muss geprüft werden, ob die Benutzung der Liegenschaft wesentlich beeinträchtigt wird, um einen Untersagungsanspruch begründen zu können. Zur Beantwortung der Frage, ob eine wesentliche Beeinträchtigung vorliegt, muss die Sichtweise eines Durchschnittsmenschen herangezogen werden. Die Beurteilung erfolgt also nicht subjektiv, sondern nach einem objektiven Maßstab. Der Beweis dessen, dass Immissionen nicht wesentlich beeinträchtigend wirken und das ortsübliche Maß nicht überschreiten, obliegt dem Beklagten gemäß ständiger Rechtsprechung.

Zu Absatz 3 des § 364 ABGB:
§ 364 Absatz 3 sieht eine Erweiterung des Absatz 2 vor, indem auch Immission, welche von Pflanzen ausgehen, erfasst werden. Daher ist der Nachbar vor positiven Immissionen (z.B. Laub, Nadeln, Zapfen oder Pollenflug) geschützt, sofern das ortsübliche Ausmaß überschritten wird und er oder sie dadurch in der Benutzung des Grundstücks unzumutbar beeinträchtigt wird. Auch der Entzug von Licht und Luft durch Bäume oder andere Pflanzen werden als Immissionen erfasst. In diesem Zusammenhang ist das dabei einzuhaltende spezielle Verfahren hervorzuheben: Der durch den Entzug von Licht und Luft Beeinträchtigte ist dazu verpflichtet vor dem Einbringen einer Klage den Nachbarschaftsstreit durch einen Mediator oder eine Schlichtungsstelle zu lösen oder in der Sache einen prätorischen Vergleich vor Gericht anzustreben.

Ihr Law Experts Rechtsanwalt für dieses Rechtsgebiet: Mag. Stefan Gamsjäger, Rechtsanwalt in Innsbruck und Wien, Anwalt Innsbruck, Ihr Rechtsanwalt - Tirol