Die Frage, ob eine Immobilie als Freizeitwohnsitz oder als Arbeitswohnsitz zu qualifizieren ist, hat in Österreich, insbesondere in Tirol, erhebliche rechtliche Konsequenzen. Die aktuelle Rechtsprechung des Landesverwaltungsgerichts Tirol und des Verwaltungsgerichtshofs zeigt eine zunehmend restriktive Haltung gegenüber dem Konzept des "Arbeitswohnsitzes". Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner ständigen Rechtsprechung festgestellt, dass von einem anderen Wohnsitz als einem Freizeitwohnsitz dann nicht gesprochen werden kann, wenn kein deutliches Übergewicht hinsichtlich der beruflichen und familiären Lebensbeziehungen des Eigentümers am konkreten Ort feststellbar ist. Dieser Grundsatz ist entscheidend für die Beurteilung, ob ein Arbeitswohnsitz vorliegt.
Bemerkenswert ist, dass das TROG 2022 den Begriff "Arbeitswohnsitz" nicht kennt oder definiert. Dies stellt eine wesentliche Herausforderung für Immobilieneigentümer dar, die ihre Wohnsitze als Arbeitswohnsitze deklarieren möchten. Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat in zahlreichen Entscheidungen explizit festgehalten: "Den Begriff des 'Arbeitswohnsitzes' kennt das TROG 2022 nämlich nicht".
Der Verwaltungsgerichtshof hat klargestellt, dass die gelegentliche Ausübung beruflicher Tätigkeiten an einem Wohnsitz der Beurteilung als Freizeitwohnsitz nicht entgegensteht. In einer aktuellen Entscheidung vom 19. Mai 2023 (Ra 2022/06/0076 bis 0077) hat der VwGH sogar bekräftigt, dass selbst die vorwiegende Nutzung einer Wohnung zu beruflichen Zwecken das Vorliegen eines Freizeitwohnsitzes nicht ausschließt.
Das sogenannte "Uschi-Glas-Urteil" der Landes-Grundverkehrskommission vom 17. Dezember 2002 (LGv-1717/3.02) stellt einen bemerkenswerten Präzedenzfall in der Rechtsprechung zum Arbeitswohnsitz dar. Die deutsche Schauspielerin Uschi Glas, die eine Eigentumswohnung in Kitzbühel erworben hatte, konnte erfolgreich argumentieren, dass sie diese als Arbeitswohnsitz nutzte, obwohl sie sich dort nur selten aufhielt. Sie führte aus, dass sie in Kitzbühel Drehbücher schreibe oder Texte lerne. Diese Argumentation wurde letztlich anerkannt, und es wurde festgestellt, dass kein Freizeitwohnsitz vorliegt, "wenn die Wohnstätte zwar Erholungszwecken dient und kein Hauptwohnsitz begründet wird, die Wohnung gleichzeitig aber auch zu beruflichen und gesellschaftlichen Zwecken verwendet wird".
Die jüngere Rechtsprechung des Landesverwaltungsgerichts Tirol zeigt aber eine deutlich restriktivere Auslegung des Konzepts "Arbeitswohnsitz" im Vergleich zum Uschi-Glas-Urteil. In mehreren Entscheidungen hat das Gericht die Existenz des Rechtsbegriffs "Arbeitswohnsitz" grundsätzlich in Frage gestellt.
Trotz der zunehmend restriktiven Rechtsprechung lassen sich aus den vorliegenden Entscheidungen einige Kriterien ableiten, die für die Beurteilung eines möglichen Arbeitswohnsitzes relevant sein können:
Der Verwaltungsgerichtshof hat u.a. in ständiger Rechtsprechung betont, dass für die Qualifikation eines Wohnsitzes als Nicht-Freizeitwohnsitz ein "deutliches Übergewicht hinsichtlich der beruflichen und familiären Lebensbeziehungen" erforderlich ist. Die stärkste persönliche Beziehung besteht im Regelfall zu dem Ort, an dem jemand regelmäßig mit seiner Familie lebt.
Die bloße Behauptung, dass eine berufliche Tätigkeit am Wohnsitz ausgeübt wird, reicht nicht aus. Es müssen konkrete und nachweisbare berufliche Tätigkeiten dokumentiert werden können. Im Fall Uschi Glas war es die Vorbereitung auf Rollen und das Studieren von Drehbüchern.
Die aktuelle Rechtsprechung zum Begriff "Arbeitswohnsitz" in Österreich, insbesondere in Tirol, zeigt eine deutliche Tendenz zur restriktiven Auslegung. Das historische "Uschi-Glas-Urteil" scheint in der heutigen Rechtsprechung an Bedeutung zu verlieren.
Für Immobilieneigentümer in Tirol bedeutet dies, dass die Deklaration eines Wohnsitzes als "Arbeitswohnsitz" mit erheblichen rechtlichen Risiken verbunden ist. Eine sorgfältige rechtliche Beratung und die Dokumentation der tatsächlichen Nutzung sind unerlässlich, um mögliche Konflikte mit den Behörden zu vermeiden.
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