EUGVVO 2012: Gerichtsstandsvereinbarungen bei grenzüberschreitenden Vertragsverhältnissen - im Allgemeinen und in AGB
Allgemeines über Gerichtsvereinbarungen im europarechtlichen Kontext:
Bei Rechtsstreitigkeiten aus grenzüberschreitenden Vertragsverhältnissen, d.h. bei Verträgen mit ausländischen Vertragspartnern, stellt sich vor der Klagerhebung grundsätzlich immer die Frage, in welchem Staat die Klage eingebracht werden kann.
Um dies zu beantworten, muss zunächst geprüft werden, welcher Staat international zuständig ist gerichtlich über die Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden. Diese Fragestellung wird unter dem Begriff „internationale Zuständigkeit“ diskutiert.
Die internationale Zuständigkeit wird innerhalb der Europäischen Union unter anderem durch eine spezielle Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, die sogenannte "EUGVVO 2012" oder "Brüssel-1a VO", geregelt. Insbesondere findet man darin allgemeine Zuständigkeitsvorschriften, wie beispielsweise die Grundregel, dass der Beklagte in jenem Staat zu klagen ist, in dem er seinen Wohnsitz/Niederlassung hat.
Artikel 25 EUGVVO 2012 ermöglicht den Vertragsparteien eine Vereinbarung über die internationale Zuständigkeit zu treffen. Derartige Vereinbarungen werden als "Gerichtsstandsvereinbarungen" bezeichnet. Gerichtsstandsvereinbarungen kommen in Verträgen zwischen Parteien aus verschiedenen Staaten in der Praxis sehr oft vor.
Durch eine Gerichtsstandsvereinbarung können die Vertragsparteien – unabhängig von ihrem Wohnsitz oder ihrer Staatsangehörigkeit – vereinbaren, dass ein Gericht oder die Gerichte eines Mitgliedstaats (der EU) über eine Rechtsstreitigkeit entscheiden sollen. Eine derartige Vereinbarung kann hinsichtlich bereits entstandener Rechtsstreitigkeiten oder auch hinsichtlich künftig entstehender Rechtsstreitigkeiten aus dem Vertragsverhältnis vereinbart werden.
Formerfordernisse für das wirksame Zustandekommen von Gerichtsstandsvereinbarungen gemäß Artikel 25 EUGVVO:
Die in der EUGVVO 2012 statuierten Formerfordernisse bezüglich Gerichtsstandsvereinbarungen sind sehr wichtig. Sie müssen berücksichtigt werden, andernfalls ist die Gerichtsstandsvereinbarung ungültig. Gemäß Artikel 25 EUGVVO 2012 stehen alternativ drei Möglichkeiten für ein wirksames Zustandekommen der Vereinbarung zur Auswahl.
Die Gerichtsstandvereinbarung:
- wurde schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung getroffen.
- entspricht ihrer Form nach den Gepflogenheiten, die zwischen den Parteien entstanden sind.
- entspricht ihrer Form nach einem Handelsbrauch, den die Parteien kannten oder kennen mussten und welchen Parteien von Verträgen dieser Art im betreffenden Geschäftszweig allgemein kennen und regelmäßig beachten. (Die dritte Möglichkeit gilt nur für den internationalen Handelsverkehr.
Jedenfalls zu empfehlen ist jedoch eine schriftliche Vereinbarung zu treffen, da diese am meisten Sicherheit bietet.
Gerichtsstandvereinbarungen in AGB:
Wenn in einem Vertrag auf die AGB, welchen eine Gerichtsstandsklausel vorsehen, verwiesen wird, so entspricht dies dem Schriftlichkeitserfordernis gemäß Artikel 25 EUGVVO 2012. Nicht ausreichend für eine gültige Gerichtsstandsvereinbarung ist es nach der Rechtsprechung des EuGH, wenn im Vertragstext nicht ausdrücklich auf die AGB verwiesen wird und diese dem Vertrag bloß beigelegt werden. Dasselbe gilt auch für den Fall, dass auf der Rückseite des Vertrages zwar die Gerichtsstandsklausel abgedruckt ist, aber im Vertragstext nicht einbezogen wird.
Bei Bezugnahme auf die AGB in dem Vertragstext hingegen, ist ein expliziter Hinweis auf die in den AGB enthaltene Gerichtsstandsklausel nicht notwendig.
Es muss jedenfalls gewährleistet sein, dass die Parteien der Gerichsstandsklausel, die die allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften abbedingt bzw. ergänzt, tatsächlich zugestimmt haben. Bei widersprüchlichen AGB, d.h. im Fall, dass jede der Vertragsparteien auf seine eigenen AGB verweist und darin unterschiedliche Gerichtsstandsklauseln vorgesehen sind, kommt es zu keiner tatsächlichen Zustimmung im genannten Sinne.
Des Weiteren gilt, dass nach Art 25 EuGVVO 2012 das tatsächliche Vorlegen der AGB erforderlich ist, um eine in den AGB enthaltene Gerichtsstandsklausel in das Vertragsverhältnis einzubeziehen (OGH 2 Ob 192/07k). Sind die AGB beispielsweise auf der Rückseite der Vertragsurkunde oder auf einem beigelegten Formular ersichtlich oder wurden sie bei früheren Geschäften der Parteien schon verwendet, so gelten sie als „tatsächlich vorgelegt“.
Wichtig ist, dass sich der AGB-Verwender, der seine AGB samt Gerichtsstandsvereinbarung in das Vertragsverhältnis aufnehmen will, darum kümmern muss, dass der Vertragspartner diese tatsächlich vorgelegt bekommt. Die bloße Tatsache, dass der Vertragspartner sich die AGB – z.B. über das Internet – beschaffen könnte, reicht nicht aus.
In seiner jüngsten Entscheidung hinsichtlich Gerichtsstandsvereinbarungen in AGB und dem Schriftlichkeitserfordernis bestätigt der OGH (OGH 28. 10. 2016, 9 Ob 68/16i) das Dargelegte. Konkret ging es im Fall darum, dass einem Vertragspartner eine schriftliche Bestätigung eines zuvor mündlich geschlossenen Vertrag zugesandt und diese vom Vertragspartner unterfertigt retourniert wurde. In der schriftlichen Bestätigung wurde auf die AGB, welche eine Gerichtsstandsklausel beinhalteten, verwiesen.
Der OGH entschied hierzu: „Dem Schriftformerfordernis wird aber durch Bezugnahme auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, in denen eine Gerichtsstandsklausel enthalten ist, entsprochen, wenn der Vertragstext ausdrücklich auf diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bezug nimmt (2 Ob 41/99i; RIS‑Justiz RS0111715; RS0109865 [T1]). Dies gilt auch im Fall eines mündlich geschlossenen Vertrages, wenn die schriftliche Bestätigung durch einen Vertragspartner, der dessen AGB beigefügt sind, vom anderen Vertragspartner schriftlich angenommen worden ist (Urteil des EuGH 14. 12. 1976, Gleries Segoura SPRL – Firma Rahim Bonakdarian, C‑25/76, Rn 12).“