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Internationale Gerichtszuständigkeit: Klage auf Abgabe der Aufsandungserklärung

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat seine Rechtsauffassung zur internationalen Zuständigkeit österreichischer Gerichte für Klagen, die auf die Abgabe einer Aufsandungserklärung gerichtet sind und damit die grundbücherliche Eigentumsübertragung (in Österreich gelegener) Liegenschaften bezwecken, revidiert. Erst kürzlich entschied der OGH in der Entscheidung 6 Ob 60/18v, dass österreichische Gerichte für derartige Klagen international zuständig sind, und zwar auf Grundlage des europäischen Vertragsgerichtsstandes (Art 7 Nr 1 EuGVVO 2012).

Im Anwendungsbereich des europäischen Zuständigkeitsrechts der EuGVVO 2012 bietet diese Entscheidung einen Anhaltspunkt für Fälle, in denen sich Eigentümer einer Liegenschaft in Österreich - trotz schuldrechtlicher Verpflichtung zur Eigentumsübertragung - weigern eine Aufsandungserklärung zur grundbücherlichen Einverleibung des Eigentumsrechts abzugeben.

Revidierte Rechtsmeinung des OGH

In der Entscheidung zu 8 Ob 114/15w kam der OGH zum Ergebnis, dass die Eigentumsübertragung in Österreich gelegener Liegenschaften nicht auf Basis des europäischen Vertragsgerichtsstandes gemäß Art 7 Nr. 1 EuGVVO 2012 in Österreich eingeklagt werden könnte. 

Der OGH sah in der Aufsandungserklärung einen sogenannten „verfügenden Vertrag“ und qualifizierte Klagen auf Abgabe einer Aufsandungserklärung als "Klagen aus Verfügungsgeschäfte", weil sie darauf gerichtet wären, die Abgabe einer Aufsandungserklärung gerichtlich zu ersetzten.

Aus europarechtlicher Sicht steht der europäische Vertragsgerichtsstand nur für Streitigkeiten aus verpflichtenden Verträgen bzw aus Verpflichtungsgeschäften und nicht für Klagen aus Verfügungsgeschäften zur Verfügung. 

Folglich waren österreichische Gerichte nach der damaligen Auffassung des OGH für Klagen auf Abgabe einer Aufsandungserklärung international unzuständig.

Nunmehrige Rechtsmeinung des OGH

Richtigerweise qualifizierte der OGH nunmehr eine Klage auf Abgabe einer Aufsandungserklärung nicht mehr als Klage aus einem Verfügungsgeschäft (6 Ob 60/18v). 

Vielmehr führte der OGH aus, dass der Kläger mit der (auf die Abgabe der Aufsandungserklärung gerichteten) Klage Ansprüche aus einem Verpflichtungsgeschäft, nämlich die Eigentumsübertragung geltend machte. Das Begehren seiner Klage war auf Vertragserfüllung gerichtet. Die Aufsandungserklärung ist die begehrte Erfüllungshandlung, die sich aus dem Verpflichtungsgeschäft ergibt. Diese Erfüllungshandlung lag schwerpunktmäßig jedenfalls in Österreich. 

Die internationale Zuständigkeit österreichischer Gerichte war somit gemäß Art 7 Nr. 1 EuGVVO 2012 gegeben.

Aufsandungserklärung nach nationalem Rechtsverständnis

Die zuvor vertretene Rechtsauffassung des OGH hängt eng mit den (nationalen) materiell-rechtlichen Grundlagen zur Eigentumsübertragung von Liegenschaften (unbeweglichen Sachen) zusammen. 

Nach österreichischem Recht ist für die Übertragung von Eigentum sowohl das Vorhandensein eines obligatorischen Übertragungsanspruchs (zB eines Kaufvertrags oder Schenkungsvertrags) als auch die Durchführung eines Verfügungsgeschäfts erforderlich. 

Das Verfügungsgeschäft betrifft den Modus, wobei das Eigentum an beweglichen Sachen grundsätzlich durch körperliche Übergabe übertragen wird. An Liegenschaften wird das Eigentum hingegen ausschließlich durch Eintragung in das Grundbuch übertragen. Eine körperliche Übergabe in Form einer Schlüsselübergabe reicht hierzu nicht aus. 

Im Zusammenhang mit der Eintragung des neuen Eigentümers in das Grundbuch muss der Übergeber eine „Aufsandungserklärung“ abgeben. 

Die Aufsandungserklärung ist die ausdrückliche Erklärung des vorherigen Eigentümers, dass er in die Einverleibung des Eigentumsrechts des neuen Eigentümers einwilligt. Sie wird im Rahmen nationalen Rechtes als ein „Verfügungsgeschäft“ qualifiziert. 

Zu beachten ist jedoch, dass die Bestimmungen des europäischen Zuständigkeitsrechts autonom und nicht unter Zugrundelegung nationalen Rechts auszulegen sind. Die rechtliche Qualifikation der Aufsandungserklärung im Rahmen des nationalen Rechts spielt daher für die hier zu beurteilende – europarechtliche – Zuständigkeitsstreitigkeit keine Rolle.

Ihr Law Experts Rechtsanwalt für dieses Rechtsgebiet: Dr. Wiesflecker, Rechtsanwälte Österreich, Attorneys Austria.