Das österreichische Strafgesetzbuch (StGB) unterscheidet verschiedene Arten von Körperverletzungsdelikten, die sich in ihren Tatbestandsmerkmalen, Strafrahmen und Voraussetzungen erheblich unterscheiden. Besonders relevant sind dabei die fahrlässige Körperverletzung nach § 88 StGB und die schwere Körperverletzung nach § 84 StGB. Dieser Beitrag analysiert beide Delikte aus strafrechtlicher Sicht und beleuchtet die wichtigsten rechtlichen Aspekte für die Praxis.

Die schwere Körperverletzung gemäß § 84 StGB

Die schwere Körperverletzung stellt eine Qualifikation der einfachen Körperverletzung nach § 83 StGB dar und wird mit deutlich höheren Strafen bedroht. Der Tatbestand unterscheidet zwischen mehreren Varianten der schweren Körperverletzung.

Definition und Tatbestandsmerkmale

Eine schwere Körperverletzung gemäß § 84 Abs. 1 StGB liegt vor, wenn jemand einen anderen am Körper misshandelt und dadurch fahrlässig eine länger als vierundzwanzig Tage dauernde Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit oder eine an sich schwere Verletzung oder Gesundheitsschädigung zufügt. Der Gesetzgeber stellt hier auf drei alternative Tatbestandsmerkmale ab:

1.      Eine mehr als 24-tägige Gesundheitsschädigung

2.     Eine mehr als 24-tägige Berufsunfähigkeit

3.      Eine an sich schwere Verletzung oder Gesundheitsschädigung

Bei der Berechnung der 24-Tage-Frist wird der Tag der Verletzung nicht mitgezählt. Entscheidend ist, wann die Krankheitserscheinungen im Wesentlichen abgeklungen sind.

Welche Verletzungen gelten als schwere Körperverletzung?

Nach ständiger Rechtsprechung zählen zu den schweren Körperverletzungen insbesondere:

·        Knochenbrüche

·        Verletzungen innerer Organe

·        Erhebliche Verbrennungen

·        Nasenbeinbruch mit Verschiebung des Knochens

·        Gehirnerschütterung mit retrograder Amnesie

·        Zahnverlust bei wesentlicher Beeinträchtigung der Kaufunktion

·        Infizierung mit Aids

·        Blutvergiftung

·        Belastungsstörung durch psychische Traumatisierung

Strafrahmen der schweren Körperverletzung

Der Grundtatbestand der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 1 wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft.

Es gibt jedoch qualifizierte Fälle mit höherem Strafrahmen:

·        Bei vorsätzlicher schwerer Körperverletzung (§ 84 Abs. 4): Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren

·        Bei Körperverletzung auf eine Weise, die mit Lebensgefahr verbunden ist, mit mindestens zwei Personen oder unter Zufügung besonderer Qualen (§ 84 Abs. 5): Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren

Die fahrlässige Körperverletzung nach § 88 StGB

Grundtatbestand und Charakteristik

Die fahrlässige Körperverletzung gemäß § 88 StGB ist ein reines Fahrlässigkeitsdelikt. Der Grundtatbestand lautet: "Wer fahrlässig einen anderen am Körper verletzt oder an der Gesundheit schädigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen".

Im Gegensatz zur vorsätzlichen Körperverletzung (§ 83 StGB) handelt der Täter hier ohne Vorsatz auf eine Verletzung und ohne Misshandlungsvorsatz. Entscheidend ist, dass eine objektiv sorgfaltswidrige Handlung vorliegt, die kausal für die Verletzung oder Gesundheitsschädigung ist.

Straffreistellung bei fahrlässigen Körperverletzungen nach § 88 Abs 2 StGB

Eine Besonderheit des § 88 StGB ist die mögliche Straffreistellung nach Abs. 2. Diese tritt ein, wenn der Täter nicht grob fahrlässig gehandelt hat und zusätzlich einer der folgenden Umstände vorliegt:

1.      Angehörigenprivileg: Die verletzte Person ist mit dem Täter in auf- oder absteigender Linie verwandt oder verschwägert oder sein Ehegatte, eingetragener Partner, Bruder oder Schwester

2.     14-Tage-Regelung: Aus der Tat erfolgt keine Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit von mehr als 14-tägiger Dauer

3.      Medizinerprivileg: Der Täter ist Angehöriger eines gesetzlich geregelten Gesundheitsberufes und die Körperverletzung ist nicht schwer und in Ausübung seines Berufes zugefügt worden

Diese Straffreistellungsgründe gelten ausschließlich für den Grundtatbestand nach Abs. 1, nicht jedoch für die qualifizierten Tatbestände nach Abs. 3 oder Abs. 4.

Grobe Fahrlässigkeit als Ausschlussgrund für die Straffreistellung

Die Definition der groben Fahrlässigkeit findet sich in § 6 Abs. 3 StGB. Grob fahrlässig handelt, "wer ungewöhnlich und auffallend sorgfaltswidrig handelt, sodass der Eintritt einer Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung als geradezu wahrscheinlich vorhersehbar war".

Es geht hierbei um schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzungen, die das gewöhnliche Maß an nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens ganz erheblich übersteigen. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Täter nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem einleuchten müsste.

Qualifikationen der fahrlässigen Körperverletzung

Der § 88 StGB enthält mehrere Qualifikationen mit höheren Strafrahmen:

1.      Grobe Fahrlässigkeit oder Minderrausch (Abs. 3): Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen

2.     Fahrlässige schwere Körperverletzung (Abs. 4, 1. Fall): Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen

3.      Grob fahrlässige schwere Körperverletzung (Abs. 4, 2. Fall): Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren

4.     Grob fahrlässige schwere Körperverletzung einer größeren Zahl von Menschen (Abs. 4, 3. Fall): Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren

Abgrenzung zur absichtlichen schweren Körperverletzung (§ 87 StGB)

Die absichtliche schwere Körperverletzung gemäß § 87 StGB stellt eine eigenständige Straftat dar, die sich durch die gesteigerte Vorsatzform der Absicht auszeichnet. Bei § 87 muss es dem Täter darauf ankommen, das Opfer schwer zu verletzen. Ein bloßer Eventualvorsatz genügt hierfür nicht.

Die absichtliche schwere Körperverletzung wird mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bestraft. Zieht die Tat schwere Dauerfolgen nach sich, erhöht sich der Strafrahmen auf ein bis fünfzehn Jahre Freiheitsstrafe. Hat die Tat den Tod des Geschädigten zur Folge, beträgt der Strafrahmen sogar fünf bis fünfzehn Jahre.

Praktische Beispiele aus der Rechtsprechung

Fahrlässige Körperverletzung:

·        Missachtung des Vorranges im Straßenverkehr

·        Verstoß gegen die Maulkorbpflicht bei Hunden

·        Überlassen eines Kraftfahrzeugs an eine alkoholisierte Person

·        Nichtbeachtung der FIS-Regeln beim Skifahren

·        Unsachgemäße Organisation eines Radrennens

Schwere Körperverletzung:

·        Mehrere gezielte Tritte gegen den Kopf eines am Boden liegenden Opfers

·        Messerstiche, die zu tiefen Wunden führen

·        Schläge mit Gegenständen, die Knochenbrüche verursachen

·        Körperverletzungen mit Dauerfolgen wie bleibenden Narben im Gesicht

Fazit: Rechtliche Bedeutung und Abgrenzung

Die Unterscheidung zwischen schwerer Körperverletzung, fahrlässiger Körperverletzung und absichtlicher schwerer Körperverletzung ist im österreichischen Strafrecht von entscheidender Bedeutung. Der Gesetzgeber hat ein differenziertes System geschaffen, das die verschiedenen Begehungsformen und Folgen von Körperverletzungen angemessen berücksichtigt.

Die Straffreistellungsgründe des § 88 Abs. 2 StGB sorgen dafür, dass leichte fahrlässige Körperverletzungen unter bestimmten Umständen straffrei bleiben. Dies entspricht dem kriminalpolitischen Gedanken, Bagatellfälle aus dem Strafrecht herauszuhalten. Andererseits werden besonders schwerwiegende Fälle, insbesondere bei absichtlicher Begehung oder schweren Folgen, mit empfindlichen Strafen bedroht.

Für die Praxis ist daher stets eine genaue Prüfung des Einzelfalls erforderlich, um die korrekte rechtliche Einordnung vornehmen zu können. Insbesondere die Abgrenzung zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit sowie die verschiedenen Abstufungen der Körperverletzungsdelikte erfordern eine differenzierte rechtliche Betrachtung.

Rechtliche Verteidigung bei Körperverletzungsdelikten

Bei der Verteidigung gegen den Vorwurf einer Körperverletzung ist stets sorgfältig zu prüfen, welcher Tatbestand erfüllt ist und ob Straffreistellungs- oder Rechtfertigungsgründe vorliegen. Gerade bei der fahrlässigen Körperverletzung besteht durch die Privilegierungstatbestände des § 88 Abs. 2 StGB die Möglichkeit einer Straffreistellung, sofern keine grobe Fahrlässigkeit vorliegt und einer der genannten weiteren Umstände gegeben ist.

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